Niemals hätte ich mir träumen lassen, dass ausgerechnet ich einmal diesen Beruf ausüben würde. Coach, Therapeutin und Beraterin für adoptierte Menschen und/oder deren Angehörige. Lange wollte ich mich selbst nicht mit dem Thema Adoption beschäftigen und habe es sowohl bewusst als auch unbewusst aus meinem Leben ausgeklammert, obwohl ich selbst adoptiert bin. Noch weniger hätte ich gedacht jemals offen und selbstverständlich mit dieser Thematik umzugehen, geschweige denn ein Buch darüber zu schreiben.
Meine Kindheit war geprägt von gelebtem und ungelebtem Misstrauen, Verwirrung, Angst, innerer Unruhe und gefühlt Milliarden von Fragen, die ich jedoch niemandem außer mir selbst stellte und somit nur eigene, ausgedachte und interpretierte Antworten dafür erhielt. Trotzdem orientierte ich mich an diesen Antworten und lernte erst sehr viel später, dass es auch viel bessere, plausiblere, hilfreichere und stärkendere Antworten auf meine Fragen gegeben hätte, die mich deutlich weniger Zeit und Energie gekostet und mir eine Menge Leid erspart hätten.
Adoption ist ein zeitloses Thema und nach wie vor ein gesellschaftliches Tabuthema. Es ist klar, dass es sie gibt und bei Familien, die damit zu tun haben, findet auch Austausch untereinander statt, aber die beteiligten Familienmitglieder selbst innerhalb einer Familie sprechen wenig bis gar nicht über die wesentlichen Dinge dazu, oft einfach nur deshalb, weil sie nicht wissen wie das gehen soll. Es gibt hierfür keinen selbstverständlichen Umgang und viele Ängste und Befürchtungen auf beiden Seiten. Auch in der Gesellschaft wird sich eher selten über dieses Thema Gedanken gemacht. Man weiß davon, hat davon gehört oder kennt zufällig jemanden und dass es oft Probleme gibt ist auch bekannt. Genaueres Nachfragen führt jedoch eher zu Kopfschütteln und Achselzucken.
Als Handlung und als Lebensgefühl, sowohl für Betroffene, als auch für das Umfeld und alle Beteiligten, ist Adoption kein einmaliger Akt, sondern begleitet uns das ganze Leben. Es hat Auswirkungen auf alle unsere Lebensbereiche. Nur der Blickwinkel und die Sicht darauf verändern sich mit der Zeit. Das kann Vorteile, aber auch Nachteile mit sich bringen, da das Erkennen der eigenen Position immer vom Grad und der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und deren Bewertung abhängig ist.
Dankbar, für all die unterstützenden Geschichten, die mich auf meinem eigenen Lebensweg erreicht und gestärkt haben und die fehlenden geeigneten Unterstützungsmassnahmen, die mich in meinem Leben immer wieder orientierungslos zurückwarfen und etliche Umwege und Wiederholungen kosteten, folge ich nun meinem inneren Ruf als selbst adoptiertes Kind, allen Interessierten dieses Buch zur Verfügung zu stellen. Umwege kosten nicht nur Zeit sondern auch Kraft und lenken von den wesentlichen Dingen im Leben ab, für deren Gestaltung dadurch oft nicht genügend Ressourcen vorhanden sind.
Dies geht zu Lasten der Lebensqualität und der Lebenszeit, die, wie wir alle wissen, kostbar ist. Wir sollten sie nicht damit verschwenden zu leiden, sondern uns jeden Tag erneut darüber freuen, dass wir dieses Leben geschenkt bekommen haben. Wir haben nicht über die Umstände entschieden, mit denen wir aufgewachsen sind, aber wir können jeden Tag neu entscheiden, wie wir damit umgehen.
Besonders freue ich mich über das Vorwort von Mechthild Neuer, der Leiterin des Landesjugendamtes NRW Zentrale Adoptionsvermittlungsstelle, die 30 Jahre Berufserfahrung im Bereich Adoptionsvermittlung und Begleitung hat und dieses Jahr in den verdienten Ruhestand gegangen ist.
Möge es vielen Menschen auf ihrem Weg ins Verständnis und in die Heilung behilflich sein.
Von Herzen,
Linda Dorday